Zur Suche
Klima

Klimaschutz braucht gesellschaftliche Akzeptanz

Je konkreter der Klimaschutz, desto größer die Sorgen vor den wirtschaftlichen Folgen. Für das Gelingen der Transformation ist Überzeugungsarbeit daher so wichtig wie der Umweltschutz selbst, wie auf dem Nachhaltigkeitstag des GDV deutlich wurde.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
Lesedauer
© GDV / Christian Kruppa

GDV-Präsident Norbert Rollinger begrüßt die rund 150 Gäste auf dem TransVer Day in Berlin.

Was Transformation bedeutet, weiß Anke Rehlinger nur zu gut. Als Ministerpräsidentin des Saarlandes führt sie ein Land, das mehr als 200 Jahre vom Kohlebergbau geprägt war, ehe vor gut zehn Jahren die letzte Zeche schloss. Nicht aus Gründen des Klimaschutzes, sondern weil die Kohleförderung schlicht unrentabel geworden war. Die Wirkung aber ist gleich: disruptiv, einschneidend. Und so etwas kann Angst machen. Insofern sind Rehlingers Grußworte zum TransVer Day nicht nur Einsicht, sie klingen zugleich wie ein Appell angesichts der kommenden Umwälzungen: „Für alle wichtigen Transformationsprozesse brauchen wir die Akzeptanz der Menschen und Mitarbeiter.“

Akzeptanz, Verständnis, Zusammenhalt – diese Begriffe fielen oft auf dem Nachhaltigkeitstag am Mittwoch in Berlin, den der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bereits zum dritten Mal veranstaltete. Denn eines wurden in den vielen Diskussionen deutlich: Je drängender die Klimaschutzmaßnahmen werden, desto mehr wachsen die Sorgen der Menschen, sei es um ihren Arbeitsplatz oder vor der nächsten Stromrechnung. Und desto nötiger werden Erklärungen und Überzeugungsarbeit. „Uns nutzt kein Klimaschutz, wenn wir große Teile der Bevölkerung nicht mitnehmen“, sagte Jan Wilkens vom Exzellenzcluster Climate, Climate Change and Society an der Universität Hamburg. Es brauche eine soziale Transformation, wie er es nannte. 

Versicherer werden als Partner der Transformation geschätzt

Mit dem TransVer Day möchte der GDV solche Debatten anstoßen, aber auch Zeugnis ablegen über die eigenen Fortschritte in Sachen Klimaschutz. Und damit zeigen, dass es die Branche ernst meint mit ihrem Bekenntnis zu den Pariser Klimaschutzzielen und den UN-Sustainable Development Goals. Dafür steht beispielsweise der Anteil von 90 Prozent der Kapitalanlagen, den die Versicherer bereits nach Nachhaltigkeitskriterien anlegen. Denn für sie ist Klimaschutz kein Modethema, es geht schlicht um ihre wirtschaftliche Zukunft: „Wir haben eine intrinsische Motivation, das Thema voranzutreiben“, betonte GDV-Präsident Rollinger. Das Geschäftsmodell der Branche sei gefährdet, wenn bestimmte Regionen oder Sparten aufgrund steigender Schäden durch den Klimawandel nicht mehr versicherbar wären. 

Das starke Engagement der Versicherer im Klimaschutz wird in der Politik wahrgenommen: „Die Rolle der Branche ist sehr beachtlich und verdient Respekt“, lobte Judith Pirscher, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Versicherer sieht sie mit an erster Stelle der Transformation: als Risikoträger, als Spezialisten für neue Geschäftsmodelle und – vor allem – als große Player auf dem Kapitalmarkt. „Wir brauchen Investitionen in Innovationen“, betonte Pirscher. „Auf diesem Weg werden sie ein wichtiger Teil sein.“

Nicht jede Maßnahme stößt auf Zustimmung

Das klingt einladend und schmeichelnd, und doch muss die Politik auch in der Wirtschaft um Akzeptanz für den Klimaschutz werben. Denn nicht jede noch so gut gemeinte Maßnahme stößt auf Zustimmung – auch nicht unter den Versicherern, die ein Übermaß an Regeln beklagen. „Transformation lässt sich nicht loslösen von Regulierung“, sagte Rollinger. Und da gebe es durchaus manchmal Zweifel, wenn Vorschriften nur zu mehr Dokumentation führten, aber keinen „Outcome“ bewirkten. Als Beispiel nannte Rollinger den Besitzerwechsel bei einem Geschäftsgebäude, für den ein Nachweis der Biodiversität nötig sei – ohne dass sich am Haus etwas verändert habe.

Dass so manche Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung oder der Wirtschaft skeptisch gesehen werden, weiß auch Ricarda Lang, Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Ihr war es daher wichtig, die ökonomischen Vorteile der Transformation zu betonen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir Klimaschutz und Klimaneutralität nicht mit weniger, sondern mit mehr Wachstum erreichen.“ Klimaschutz sei kein globaler Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Standards, es sei eher umgekehrt ein „Race to the top“: „Wer schafft es, neue Technologien und neue Arbeitsplätze anzusiedeln“, sagte Lang.

Überregulierung soll abgebaut werden 

Sie sieht die Versicherer ebenfalls als „Motor des Fortschritts“. Die Transformation werde nur gelingen, wenn auch das Kapital in die richtige Richtung fließe, also in nachhaltige Anlagen. Bestehende Hemmnisse will die Grünen-Co-Vorsitzende aus dem Weg räumen. „Wir müssen Überregulierung abbauen“, sagte sie. Das gelte beispielsweise für die Klassifizierung von nachhaltigen Kapitalanlagen. „Wir müssen die Taxonomie besser und einfacher machen.“

Die Versicherer hören es gern, sie stehen bereit: „Wir möchten die Transformation begleiten. Das Kapital ist da“, betonte Christoph Nabholz, Head of Research beim Swiss Re Institute. Die Unternehmen wünschen sich aber nicht nur bessere Investitionsbedingungen, sie fordern auch mehr Anstrengungen bei der Klimafolgenanpassung, etwa wenn es um ein konsequentes Bauverbot in Überschwemmungsgebieten geht. Denn, wie Nabholz betonte: Die steigenden Schäden resultieren gar nicht so sehr aus dem Klimawandel selbst, sondern aus den Fehlern der Menschen. „Wir haben es zugelassen, Häuser in exponierten Gebieten zu bauen.“ Auch das ist nicht nur eine Einsicht, sondern auch ein Apell.